Diesen Satz las ich heute in einem Insta-Beitrag eines angesehenen Ausbildungs- und Trainingsinstituts! Ich möchte anmerken, dass ich die Autoren schätze und nehme diesen Satz lediglich zum Anlass, meine Leser dabei zu unterstützen, ein Bewusstsein für Dogmen zu entwickeln, die uns täglich begegnen und uns dazu verleiten ihnen ohne Prüfung zu folgen. Dadurch entsteht eine Prägung und eventuell eine falsche Konditionierung in der Mensch-Pferd-Beziehung.
Mich hat dieser Satz getriggert!
Ist es nötig, dass moderne, seriöse Ausbilder dem Pferdemenschen Dogmen vorgeben?
Definition von DOGMA:
„Unter einem Dogma (altgr. δόγμα, dógma, „Meinung, Lehrsatz; Beschluss, Verordnung“) versteht man eine feststehende Definition oder eine grundlegende, normative Lehraussage, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich festgestellt wird.“ (Wikipedia)
Als ich vor über 50 Jahren das Reiten in einer konventionellen Reitschule lernte, wuchs ich als Kind mit solchen Dogmen auf. Ich fand heraus, dass sich diese „Vorgaben“ häufig nicht umsetzen ließen, da die Pferde, die ich reiten durfte, oft anderer Ansicht waren. Ein solches Verhalten wurde nicht geduldet und auch nicht hinterfragt, sondern das Pferd musste lernen, wie es sich zu verhalten hat und ich sollte der Chef sein.
Als Kind erkannte ich, wie wichtig es für meinen Partner Pferd war „mitreden“ zu dürfen. Also versuchte ich - unbeobachtet - herauszufinden, was das Pferd möchte. Ich lernte ihm zuzuhören und mit der Zeit verstand ich, was sich die Pferde wünschten. In dieser Zeit bekam ich nur noch die unerzogenen, schweren Fälle zu reiten, weil mit mir etwas nicht zu stimmen schien. Meine Reiterfreundin unterwarf sich den Dogmen ohne auf die Pferde zu achten und gewann eine Prüfung nach der anderen mit lethargischen Pferden, die ihre Persönlichkeit aufgegeben hatten. Parierten sie nicht, wurden sie gezwungen. Fertig.
Für mich ein nicht auszuhaltender Zustand. Diese Pferde hatten mein Mitgefühl im wahrsten Sinne des Wortes. Ich konnte ihre Schmerzen und ihr Leid förmlich in meinem Körper spüren. Die Pferde, die ich reiten durfte, machten keine Karriere auf dem Turnierplatz. Ich startete auch die eine oder andere Prüfung und manchmal gewann ich auch mit einem solchen Pferd. In diesem Moment war ich unbeschreiblich stolz auf unser Ergebnis und kann noch heute nicht in Worte fassen, was es für mich bedeutete. Doch die Anerkennung für unseren langen Weg mit vielen Rückschritten blieb aus. Die meisten Reiter und Reiterinnen nahmen mich nicht ernst.
Moderne Ausbildung und Coaching ist tolerant, verständnisvoll und individuell.
Allgemeine Floskeln und Anweisungen helfen einer chaotischen Pferd-Mensch-Beziehung wenig. Willst Du Veränderungen erreichen, dann ändere zuerst Dich!
Dein Pferd folgt Dir, wenn es spürt,
dass Du bei Dir selbst angekommen bist und nicht dort,
wo Du glaubst sein zu müssen.
Bist Du präsent?
Wie oft denkst Du während dessen Du bei Deinem Pferd bist an etwas anderes? Wie oft unterhältst Du Dich während des Putzens mit einer Stallkollegin? Wie oft telefonierst Du während Du Zeit mit Deinem Pferd verbringst? Und wie oft während Du reitest?
Wenn Du einige dieser Fragen mit JA beantworten konntest, bist Du nicht
bei Deinem Pferd. Du bist irgendwo. Dein Pferd kann Dich nicht wahrnehmen. Du bist für Dein Pferd ein Niemand. Das Wahrnehmungsfeld wird aktiviert durch Futterreize im positiven Sinne oder durch Schimpf-Tiraden im negativen Sinne. Nur Du mit allem, was Dich ausmacht, fehlst.
Warum soll Dein Pferd sein Leben in Deine Hände legen? Warum sollte es Dir blind folgen? Seine Überlebens-instinkte lassen das nicht zu. Es möchte Dich wahrnehmen, bestenfalls in der authentischsten Form von Dir selbst. Es mag Deine Berührungen, wenn sie sanft sind und wohltuende Reize setzen. Es honoriert, wenn Du ihm eine Reaktionszeit einräumst.
Die Energie folgt der Aufmerksamkeit!
Bist Du unsicher, kannst Du auch nicht mit Gewalt zu einem wahrhaftigen Führer werden. Bist Du nicht präsent in jeder Sekunde des Zusammenseins mit Deinem Pferd, wird es Dich nicht als Führer akzeptieren, denn es legt sein Leben in Deine Hand. Bitte sei Dir dessen bewusst!
Jetzt könnte ich weiter ausführen, welche Faktoren der Pferdepersönlichkeit eine Rolle spielen, doch das führt in diesem Artikel zu weit.
Doch egal, welches Pferd an Deiner Seite ist, es ist bei Dir, weil Du mit ihm resonierst. Und es ist ein Trugschluss, zu glauben, dass sich Gegensätze anziehen, denn das tun sie nicht. Nur gleiches zieht sich an. Also frage Dich, was habe ich mit dem Verhalten meines Pferdes zu tun und mit seinen Krankheiten? Ändere das, was Dir nicht gefällt, bei Dir selbst, dann wird das Pferd es Dir gleich tun!
Lasse Wunder geschehen, ganz ohne Dogmen!
©Ellen von Dahlen, Equinus Sanitas 08-2022